Der Schneider von Ulm

 

 

 

Albrecht Ludwig Berblinger

 

Mai 1811

Ursprünglich wollte Berblinger seine Flugkünste erst am 4. Juni vorführen und schlug dazu einen Start vom Hauptturm des Ulmer Münsters vor, dessen Höhe zu diesem Zeitpunkt noch bei 100 Metern lag. Die Ulmer Ratsherren lehnten Berblingers Vorschlag jedoch ab. Sie trauten seinen Flugkünsten nicht und verlangten deshalb den Start von der 13 Meter hohen Mauer der Adlerbastei an der Donau. Berblinger stimmte diesem Startplatz schließlich zu, ohne sich der möglichen verhängnisvollen Folgen bewusst zu sein. Um die Donau überqueren zu können, vergrößerte Berblinger die Absprunghöhe durch ein Gerüst auf 20 Meter.

Die Abreise des Königs am 31. Mai führte wohl dazu, dass Berblinger schon am 30. Mai starten sollte. Der König und viele Ulmer warteten auf seine erste Flugvorführung, doch Berblinger verschob seinen Start auf den nächsten Tag. Die historischen Schilderungen lassen darauf schließen, dass er an diesem Tag die völlig anderen Windverhältnisse bemerkte und auf Veränderung am nächsten Tag hoffte. Aus heutiger Sicht ist klar, warum er die von ihm benannte „Fliegekraft“ unter seinen Flügeln nicht spüren konnte. Durch das relativ kalte Wasser der Donau entstehen Fallwinde, die durch die Mauern der Bastei noch verstärkt werden.

Am folgenden Tag, dem 31. Mai, trat er erneut zu einem öffentlichen Flugversuch an. Der König war schon abgereist, aber sein Bruder, Herzog Heinrich, und die Prinzen schauten zu. Allerdings hatten sich die Windverhältnisse innerhalb eines Tages nicht verändert. Das muss ihm bewusst geworden sein, denn er verzögerte den für 16 Uhr geplanten Start, mit der Hoffnung es könnte sich noch etwas verändern. Gegen 17 Uhr wurden die zahlreichen Zuschauer und auch Herzog Heinrich ungeduldig und drängten ihn, endlich mit seiner Vorführung zu beginnen. Ein umstehender Polizeidiener rempelte Berblinger schließlich an und das Verhängnis nahm seinen Lauf.